Buchstabensuppe

Einmal rührte ich in meiner Buchstabensuppe, führte den Löffel zum Mund und musste plötzlich meine soeben gelöffelte Suppe wieder ausprusten, so überrascht war ich, weil die Buchstabennudeln sich zum Satz »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag« formierten.
Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet, wie gesagt, die Überraschung ist den Nudeln gelungen.

Buchstabensuppensuppenhersteller in China haben es auch nicht leicht.

Gast: »Herr Ober«
Ober: »Ja, was wünschen'S?«
Gast: »Herr Ober, da ist ein H in meiner Suppe!«

Was machen Analphabeten mit Buchstabensuppe? Einfach bloß so runterschlingen? Oder bevorzugen die ohnehin die gewoehnliche Nudelsuppe?
Jedenfalls: Nie macht Essen mehr Spaß oder wuerde ähnliche intellektuelle Herausforderungen bieten! Und nicht zu vergessen die zwischenmenschliche Komponente: »Hättest du bitte noch ein S für mich in deiner Suppe?« Das fehlt mir noch um das Wort »Penisneid« an meinem Tellerrand fertigzustellen.
Und sind die Buchstaben mengenmäßig im Packerl richtig verteilt nach ihrer statistischen Häufigkeit (wie beim Scrabble)? Buchstabensuppe - das Scrabble der Schlemmer.
Aber warum gibts Buchstabensuppe ausschließlich in Helvetica, nicht aber in Trixi Plain oder gar Zapf Dingbats? Schade.

Es gab bei uns noch nie Buchstabensuppe an Heiligabend. Vielleicht haben wir ja mal ein Kind, eines fernen Tages, und das bekommt - als Ritual, so wie ich bei meinen Eltern jedes Jahr Kartoffelsalat mit Würstchen essen muss - Zeit seines Lebens zu Weihnachten von uns Buchstabensuppe vorgesetzt. Wenn das Kind noch klein ist, spielen wir ein Spiel: jeder muss weihnachtliche Begriffe mit den Buchstaben aus der Suppe bilden. Das wird ein Spaß...

Eine sehr widersprüchliche Angelegenheit. Einerseits wird den Kindern gesagt »Mit Essen spielt man nicht, denk mal an die armen Menschen die nicht genug zu Essen haben!« Andererseits wird Buchstabensuppe serviert, die Kinder wurschteln in der Suppe herum und formen Sätze am Tellerrand bis die Suppe kalt ist, die Eltern lächeln stolzerfüllt ob ihrer alphabetisierten Sprösslinge. Mir hat es immer mehr Spaß gemacht, Äpfel aus dem Garten auf einen angespitzten Stock zu spiessen und auf die Veranden der Nachbarn zu katapultieren.